Unter russischen Geiern

Viele Leute in Russland blicken in diesen Tagen sehnsüchtig auf die vermeintlich guten alten Zeiten zurück. Bei aller Nostalgie: manchmal haben sie Recht. Denn noch vor wenigen Jahren existierte ein funktionierendes System zur Brandbekämpfung im Osten. Seit die Geier aus der Politik die Wälder des Landes unter sich aufgeteilt haben, ist alles anders – und niemand aus der oberen Kaste interessiert sich für ein paar Dutzend Menschenleben im einfachen Volk.

Ein sehr guter Artikel in der „Moscow Times“ – das ist eines der wenigen unabhängigen Blätter in Russland, das sich nicht vom Machtapparat einschüchtern lässt – bringt es zwischen den Zeilen auf den Punkt: Russland hat die Feuerkatastrophe selbst zu verantworten, denn sie ist das Ergebnis schlechter Politik.

Die Sowjetunion unterhielt noch die größte mobile, nationale Feuerwehr überhaupt auf der Welt. Diese Einheit nahmens AviaLesOkhrana – die Einheit zur Luftbekämpfung von Waldbränden – beschäftigte rund 9.000 Feuerwehrleute, die speziell im Kampf gegen Buschbrände und Feuer in Mooren geschult waren. Die meisten dieser Haudegen waren Fallschirmjäger, die direkt in die Brände absprangen. Respekt – ich war übrigens selbst beim Fallschirmspringen bei der Bundeswehr und weiß, welchen Mut diese Draufgänger mitbringen.

Bis zum Jahr 2007 waren nur noch 1800 Leute aus der Luftfeuerwehr übrig. In diesem Jahr ging auch die Aufsicht über die riesigen Bestände an edlen Hölzern und Weideland von der nationalen Feuerwehr an die Regionen über. Unterzeichner des neuen Waldgesetzes war übrigens im Jahr 2006 der damalige Präsident Wladimir Putin. Wahrscheinlich wollte er einigen Hofschranzen eine kleine Apanage verschaffen. Oh, Pardon: Er wollte bestimmt die Wirtschaft in der unterentwickelten russischen Provinz ankurbeln.

Wie auch immer. Das Gesetz bedeutete einen herben Raubbau am russischen Wald. Denn wie mir ein Bekannter berichtet, der in Sankt-Petersburg gelebt hat, sind die Gouverneure die wahren Blutsauger des Landes. In vielen Regionen sind ganze Wälder verschwunden, weil der Appetit Chinas auf Rohstoffe für Möbel und Papier unersättlich ist. Dazu kommt das einträgliche Geschäft mit der Vergabe von Bauland für die Wochenend-Datschen der Neureichen. Das füllt natürlich die Taschen der Regionalpolitiker.

Was mit der Bevölkerung geschieht, ist ganz egal. In einigen Dörfern in der Nähe von Sankt-Petersburg sind mittlerweile wieder Braunbären aufgetaucht, deren natürliches Umfeld abgeholzt wurde. In den USA läuft die Bekämpfung von Waldbränden übrigens noch zentralisiert: Dort verhindert die straffe Kontrolle durch das Forest Disaster Assistance Support Program Katastrophen wie jetzt in Russland.

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