It’s the deflation, stupid!
US-Präsidenten-Wahlkampf im Herbst 1992: George W. Bush senior lag in der Wählergunst scheinbar uneinholbar vorne. Gerade war die Sowjetunion kollabiert, der Krieg im Persischen Golf gewonnen. In Washington fand eine grandiose Siegesparade statt – mit Stealth Bombern, die im Tiefflug über das Kapitol hinweg rasten.
Politiker sind viel beschäftigte Menschen. Sie müssen Hände von Omis schütteln, Babies küssen und vor laufenden Kameras ständig interessante Statements von maximal 15 Sekunden Länge abgeben. Angesichts der Reizüberflutung sind Politiker gut beraten, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Einen besonders gelungenen Schritt in diese Richtung unternahm seinerzeit Bill Clinton. Dessen Konzentrationsübung sollten sich die Notenbanker von heute zu Herzen nehmen – sie bekämpfen nämlich mit der Inflation vielleicht das falsche Monster.
Was sollte der aufstrebende Politiker Bill Clinton aus dem Hinterwälder-Bundesstaat Arkansas nur tun? Gut, dass Clinton mit James Carville einen genialen Strategen an seiner Seite hatte. Der Berater hängte ihm einen Zettel ins Büro: „It’s the economy, stupid!“. Frei übersetzt: „Konzentriere Dich auf die Wirtschaft, Dummkopf!“ Der Mann aus dem tiefen Süden folgte dem Befehl und sprach fortan nur noch über Arbeitslosigkeit und die Wirtschaftskrise. Und Clinton gewann die Wahl. Pikantes Detail am Rande: Carville war damals mit Mary Matalin liiert – und die war die Nummer Zwei im Stab von George W. Bush.
Für die Notenbanker im Frankfurter Eurotower wäre diese Art der Fokussierung auch sehr hilfreich. Denn Notenbanker Jean-Claude Trichet sinnierte gerade über eine EU-Wirtschaft, die weit stärker sei, als viele Anleger glaubten. Das deutet auf höhere Zinsen und seine Unterstützung für ein Austeritäts-, also Sparprogramme hin, die eine Inflation verhindern sollen.
Die Fakten sprechen aber eine andere Sprache. Offenbar ist das eigentliche Monster die Deflation. Die Kerninflationsrate in den USA ist auf 0,9 Prozent gesunken – das ist das niedrigste Niveau seit 44 Jahren. In Europa liegt der Wert bei 0,8 Prozent. Auf diese Fakten wies jüngst das konservative Beratungsunternehmen American Enterprise Institute hin. Die Gefahr liege für die Welt darin, dass die Zinsen zu schnell angehoben würden und damit der Aufschwung am Ende sei, bevor er begonnen habe. Zeit also für die EU-Notenbanker, sich ein Schild an die Wand zu heften: „It’s the deflation, stupid!“
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